Der Streit um den Wolf
Sorgen der Landwirte gegen die Forderungen des Artenschutzes
In Nordrhein-Westfalen hat es in diesem Jahr laut Naturschutzbund (NABU) sieben Wolfssichtungen gegeben. Auch im Mühlenkreis und den angrenzenden Gebieten wurde der Wolf mehrmals gesehen. Was Naturschützer freut, ist der Landwirte Leid – sie machen sich Sorgen um ihr Weidevieh. Es muss ein Mittelweg her zwischen dem Schutz des Wolfes und der Interessen der Landwirte in Minden-Lübbecke. Doch sowohl der Naturschutzbund als auch der Landwirtschaftsverband beziehen hier unterschiedliche Positionen.
„Wolfserwartungsland NRW“
Mehrere Sichtungen gab es bereits in diesem Jahr, nachweislich seien zwei Wölfe in Minden-Lübbecke überfahren worden, berichtet Lothar Meckling, Erster Vorsitzender des Naturschutz-Bundes (NABU) Minden-Lübbecke. Dennoch sei festzuhalten, dass der Wolf in NRW noch nicht sesshaft sei; bislang seien hier rund acht Wölfe in den vergangenen Jahren gesichtet worden , von denen sich weder ein Einzeltier noch ein Rudel angesiedelt hätten. Dennoch sei NRW ein „Wolferwartungsland“, sodass immer mit Tieren gerechnet werden müsse, gerade weil sie als Langstreckenläufer überall auftauchen könnten. Hermann Seeker, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Minden-Lübbecke, erklärt auf Miku-Anfrage, dass die Landwirte jedoch von einer wesentlich höheren Population ausgehen würden, bei einer vergangenen Informationsveranstaltung berichteten anwesende „Wolfsexperten“ von „deutlich größeren Populationen“ von schätzungsweise 400 Tieren im angrenzendem Land. Auch Angriffe auf Weidetiere habe es schon gegeben, „nicht viele, aber es gab sie“, berichtet Hermann Seeker weiter. Zuletzt seien in Stemwede Schafe auf einer Weide schwer verletzt worden, sodass die Tiere eingeschläfert werden mussten. In dieser Region seien Angriffe noch seltener, während im Sauerland schon öfter Kälber gerissen worden seien. Aktuell würden an der Nordseeküste viele Weidetiere gerissen werden, wobei die Wölfe auch recht brutal vorgehen würden, so Seeker weiter. Lothar Meckling vom NABU berichtet von rund 1700 erfassten Wolfsrissen in den vergangenen zehn Jahren, das seien 100 Nutztiere pro Jahr. Im Vergleich hierzu führt Meckling auf, dass zahlenmäßig über 66.000 Nutztiere jährlich geschlachtet werden sowie rund zwei Millionen Tiere bei der Jagd erlegt würden. „Das soll das Problem nicht herunterspielen, aber zu einem vernünftigen Nachdenken anregen“.
Regulierung von „Wolfsschäden“
„Die Sorge der Landwirte ist da und berechtigt“, sagt Hermann Seeker. Betroffen von Übergriffen wären in erster Linie Tierhalter, die eine extensive Weidewirtschaft, also die Nutzung von Böden mit geringem Eingriff des wirtschaftenden Menschen in den Naturhaushalt und unter Belassung der vegetativen Standortfaktoren, betreiben würden, erklärt Lothar Meckling. Schäden, die durch Wölfe verursacht worden seien, müssten gegebenenfalls unbürokratisch und zeitnah kompensiert werden. Dabei gehe es neben den Tierverlusten auch um wolfsbezogene Schäden. Hermann Seeker beklagt, dass aktuell bei Schäden die Regulierung rausgeschoben werde, dass sich oft keiner zuständig sehe und somit das Vertrauen der Landwirte in die zuständigen Institutionen weiter sinken würde. Die öffentliche Hand müsse dieses Problem zeitnah und unbürokratisch regulieren. Derzeit müsse bei Verdacht ein Veterinär bescheinigen, dass es einen Angriff durch den Wolf gegeben habe. Zusätzlich werden zur Bewertung auch DNA-Tests durchgeführt, damit sicher nachgewiesen werden könne, dass ein Wolf für den Angriff verantwortlich gewesen sei. Dies sei immer mit großem Aufwand verbunden, da diese Untersuchungen aufgrund der nötigen Technik nicht im Kreis, sondern in Hannover oder Berlin vorgenommen werden müssten. Dieses Verfahren führte zu zeitlichen Verzögerungen, dabei sei es für die Landwirte wichtig, möglich schnell den Schaden reguliert zu bekommen.
Jagdrecht und Wolfsmanagement
„Wir sind für eine gezielte Jagd, um den aktuellen Bestand der Wölfe zu halten und ihn nicht übermäßig wachsen zu lassen“ sagt Hermann Seeker. Eine Ausrottung des Wolfes sei nicht gewünscht und differenziert zu betrachten, dennoch sollte eine gezielte Selektion stattfinden und auffällige Einzeltiere gegebenenfalls erschossen werden. Lothar Meckling und der NABU hingegen lehnen entschieden ab, den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen. Der Wolf sei europaweit geschützt, ein Abschuss sollte stets das letzte Mittel sein. Sollte ein Einzelwolf wiederholt Schäden verursachen, könne ein Abschuss durch Experten erfolgen. Derzeit angestrebt werde ein konfliktarmes Miteinander, welches in einem aktuellen Eckpunktpapier beschrieben werde. In diesem würden gemeinsame Positionen erklärt werden, die dem Schutz des Wolfes dienen und zugleich den Betrieben zukunftsfähige Perspektiven aufzeigen würden. Dazu gehöre die Vermeidung und Entschärfung von Konflikten sowie gleichermaßen das Auffangen der wirtschaftlichen Benachteiligung von Weidetierhaltern in Wolfsgebieten. Gerade werde ein Schutzzaun entwickelt, ein „wolfssicherer Zaun“, der die Tiere vor dem Eindringen in die Weiden abhalten soll, erklärt Seeker. „Aber der Wolf ist klug und lernfähig“, daher gebe es auch keine hundertprozentige Sicherheit vor Angriffen. Man könne sich kaum vorstellen, dass ein Zaun sicher gegen die Tiere wäre, schließlich kann der Wolf sowohl hoch springen als auch gut graben. Des weiteren wäre ein solcher Zaun auch eine enorme finanzielle Investition, wofür die Landwirte selber aufkommen müssten. „Wir sind noch nicht am Ziel was das Wolfsmanagement angeht“, so Seeker abschließend. Auch Lothar Meckling merkt an, das ein solches Management nicht nur erarbeitet werden, sondern auch regelmäßig aktualisiert werden müsste. Dazu müssten alle Betroffenen zusammenarbeiten; im Falle einer Wolfsansiedlung sei eine fachgerechte Vorbeugung zur Vermeidung von Übergriffen notwendig. Voraussetzung für eine erfolgreiche Rückkehr des Wolfes sei zudem die Akzeptanz in der Bevölkerung, hierfür müsse sachliche Aufklärungsarbeit geleistet werden. Vorrangige Ziele seien aber Herdenschutz, Schulung und Beratung.
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