Lässt Minden Bürger vor die Wand laufen?
Lihra meint …
Minden hat einiges getan. Die Bäckerstraße, der Scharn und der Markt bekamen ein neues Pflaster. Hell und modern, ansprechend. Und da Minden ja für alle Bürger offen sein möchte, wurde in dieses Pflaster auch eine Taktile Rinne eingebaut. Das ist die ins Pflaster eingelassene graue Linie, mit der sich Sehbehinderte orientieren können. Mit den Taststöcken fühlt man, wo man sich befindet, wie der Straßenverlauf ist, etc. Eine tolle Sache, mit der sich Menschen in Minden zurechtfinden können, die kaum noch sehen können oder sogar blind sind. In der Obermarktstraße gab es deshalb vor einiger Zeit auch Diskussionen, wo diese Rinne verlaufen soll. Denn sie nützt nichts, wenn zum Beispiel Cafés oder andere Gastronomen diese mit Stühle und Tischen vollstellen. Logisch. Man erzielte am Obermarkt gemeinsam mit den Anwohnern eine Lösung. So muss und soll es sein.
Nun geschah etwas ganz seltsames am Rathaus. Vor Kurzem gab es dort noch einen Fahrradständer. Dieser wurde wegen der taktilen Rinne entfernt. Ist ja eigentlich sehr lobenswert, denn diese Leitlinie für Sehbehinderte führt vom Markt unter die Rathausarkaden – und endet? Sie ahnen es schon, oder? Sie endet dort, wo vorher der Fahrradständer gestanden hat. Vor der Rathauswand! Das gibt es doch nicht? Doch, gibt es. Gehen Sie einmal hin und schauen Sie es sich an.
Stellen Sie sich einmal vor, sie wären sehbehindert und würden diese taktile Rinne benutzen. Sie kommen nun vom Markt, vielleicht vom Victoria Hotel, gehen entlang des Hauses Becker und kommen dann zum Ende der Leitlinie. Sie stoßen mit Ihrem „Fühlstock“ vor die Rathauswand. Ach, bevor ich es vergesse, natürlich endet die Linie nicht einfach so, sondern Menschen, die diese Linie lesen können, ertasten vorher ein „Achtung“!
So, was nun? Gehen Sie nach rechts, dann fallen Sie wahrscheinlich nach eineinhalb Metern über das Geländer und landen vor der Eingangstür der „Tonne“. Ich wünsche Ihnen dazu Hals- und Beinbruch. Hoffentlich brechen Sie sich nicht das Genick. Gehen Sie aber nach links, stolpern Sie wahrscheinlich nach 2,50 Metern über die Stufen des historischen Rathauses. Auch nicht angenehm. Es kann allerdings auch sein, dass Sie wie ein Rasenmäher Roboter von einer Stütze der Akarden erneut zur Treppe, der Wand oder an die Kellertreppe der Tonne „umgelenkt“ werden, bevor Sie erneut einen Bogenpfeiler ertasten. Mit etwas Glück gelangen Sie aber auch zurück zur taktilen Linie auf den Marktplatz. Dort können Sie, weil Sie vom Umherirren ja erschöpft sind, in einem der Cafés pausieren und sich erholen. Haben Sie allerdings ganz viel Glück und sind zu einer vollen Stunde an der Rathauswand angelangt, hilft Ihnen mit Sicherheit das Glockengeläut des Domes, die Orientierung zu behalten.
Nun könnte man sagen, der Lihra spinnt doch. Er hat doch selbst geschrieben, dass es einen „Achtung-Stein“ am Ende vor der Wand gibt. Solch ein Stein ist mit Punkten besetzt, welche Sehbehinderte lesen können und gewarnt sind. Nur, liebe Leser, was nützt ein solcher Warnstein, wenn es danach nicht in irgendeine Richtung weitergeht. Solche mit Punkten markierte Steine befinden sich normalerweise an Abzweigungen, Kurven oder Abknicken. „Achtung“ einen Meter vor die Rathauswand zu setzen, wenn sich dann im Winkel von 90 Grad links und rechts im Abstand von ca. 2 Metern echte Fallen befinden, ist wirklich ein Witz. Hier sollte dringend nachgebessert werden, damit Minden wirklich eine Stadt ist, in der die Bürger nicht vor die Wand laufen gelassen werden.
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