Neuer Schulerlass sorgt für Unmut
Nachbesserungen gefordert
Unmut und Sorge macht sich auch in Minden breit, seit der neue Runderlass für Schulen am 5. Juli vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben, wurde. Dieser regelt ab dem 1. August den zukünftigen Unterricht für zugewanderte Schülerinnen und Schüler neu. Vorbereitungs- und Auffangklassen – so genannte „internationale Klassen“ – sind dann nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen. Stattdessen sollen die zugewanderten Mädchen und Jungen direkt in die Klassen nach ihrem Alter zugewiesen werden und bei Bedarf Sprachförderunterricht erhalten.
Die Mindener Schulen und die Stadt wurden von dem neuen Erlass, der zum Ferienbeginn versandt wurde, völlig überrascht. Weder die Praktiker vor Ort noch die kommunalen Spitzenverbände, wie der Städtetag NRW, noch die Lehrer-Gewerkschaften wurden in die Entscheidungsfindung einbezogen. Auch gibt es bereits heftige Kritik aus den Reihen der Opposition in der Landespolitik. Viele Beteiligte vermissen im neuen Erlass klare Handlungsrichtlinien.
„Wir wollen und müssen als Kommune in dieser Sache die Stimme erheben“, machte Regina-Dolores Stieler-Hinz, Beigeordnete für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit, zum Auftakt einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag deutlich. Ziel der Stadt Minden sei es, die bestmögliche Bildung für alle zu bieten und Chancengerechtigkeit zu garantieren. Bildung sei der Schlüsselfaktor für eine gute Integration und die könne nicht gelingen, wenn Kinder und Jugendliche ohne jegliche deutsche Sprachkenntnisse sofort nach ihrer Ankunft in Minden auf Klassen verteilt würden. Das Modell der eingerichteten Auffang- und Vorbereitungsklassen an den weiterführenden Schulen habe sich – wenn auch noch nicht ganz optimal – insgesamt bewährt.
Derzeit gibt es in Minden elf Auffang- bzw. Vorbereitungsklassen mit etwa 150 Schülern an weiterführenden Schulen. „Hier werden die jungen Flüchtlinge maximal zwei Jahre auf den Einstieg in den regulären Unterrichtsbetrieb vorbereitet. Je nach sprachlichem Stand nehmen sie in bestimmten Fächern auch am regulären Unterricht teil“, so Horst Grüner, Leiter des Bereiches Bildung und Sport. Schulbüro und auch Schulleitungen befürchten, dass bei Umsetzung dieses neuen Erlasses die sprachliche und kulturelle Integration der jungen Zuwanderer erheblich erschwert, wenn nicht gar verhindert wird. Die internationalen Klassen seien für die Schüler, von denen viele auch traumatisiert seien, auch ein „Schutzraum“, wo sie erst einmal in Ruhe ankommen.
Auch finde sich nun keine Aussage mehr darüber, dass ein Schulabschluss angestrebt werde, kritisieren Schulleitungen in der Pressekonferenz. Weiter gebe es mögliche Ausnahmereglungen für das Erreichen eines Abiturs künftig nicht mehr, wofür ein junger Flüchtling jetzt maximal vier Jahre mehr Zeit habe, als es die Regelschulzeit vorsehe, macht Uwe Voelzke, Leiter des Besselgymnasiums und Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) deutlich. Er befürchtet, dass mit dem neuen Modell kein einziger Flüchtling mehr das Abitur schaffen kann. Das Scheitern bei einer Direkt-Integration in die Klassen sei vorprogrammiert, so Voelzke weiter. Die Frage, die sich generell stelle, laute: „Wie schaffen wir Integration?“, fasst Regina-Dolores Stieler-Hinz zusammen. „Auf keinen Fall mit der Brechstange“, gibt sie gleich die Antwort. Städte und Schulen müssten so schnell wie möglich mit dem Ministerium ins Gespräch kommen, um über Nachbesserungen und Konkretisierungen zu sprechen. „Es müssen praxisnahe Lösungen für die Integration junger Menschen geschaffen werden und dieses nicht durch die Hintertür, sondern mit Beteiligung“, so Stieler-Hinz abschließend.