Ein wirkliches Plus ...

Ein wirkliches Plus …

Lihra meint…

In der letzten Kolumne schrieb ich über das neue Logo der Stadt Minden. Dass ich das Plus nicht erkennen kann. Es gab unheimlich viel Resonanz darauf. „Herr Lihra, so ist es. Sie schreiben mir aus dem Herzen“, lautete die Meinung. Grund genug mir zu überlegen, was denn wirklich ein PLUS unserer Stadt, unseres Landkreises ist. Und ich habe es gefunden. Darum möchte ich dieses Thema noch einmal aufgreifen.

Die Stadt Minden und der Kreis Minden haben unendlich viel Plus. Darüber zu schreiben wird mir nicht gelingen, ohne alles zu berücksichtigen oder jemanden zu vergessen. Darum möchte ich stellvertretend für alle eine Institution und eine Firma mit ihrer Stiftung nennen. Es ist das ambulante Jugend- und Kinderhospitz in Minden und die „Andreas Gärtner Stiftung“ der Firma Porta Möbel.
Das ambulante Jugend- und Kinderhospitz betreut mit seinen 20 Ehrenamtlichen und der hauptamtlichen Koordinatorin 12 Familien im Kreis Minden, die lebensverkürzend erkrankte Kinder haben. Kinder, die nicht sehr alt werden. Aber auch Geschwisterkinder in den Familien, die durch die Pflege der erkrankten Schwester oder des Bruders, im Leben zu kurz kommen würden. Eine Arbeit, die oftmals an die Substanz der Ehrenamtlichen geht. Es gibt viel Leid in den betreuten Familien, große Sorgen um das Auskommen und das „Überleben“. Nicht nur in finanzieller Hinsicht, auch das seelische Überleben. Eine riesige Aufgabe, die hier übernommen wurde. Alles im Einzelnen zu erklären, würde hier zu weit führen.

Aber ich möchte Ihnen einmal von dem Jungen erzählen damit Sie einen Eindruck bekommen. Der Junge ist 13 Jahre alt, leidet an einer Muskelerkrankung. Die Muskeln bilden sich immer weiter zurück. Er sitzt in einem Elektro-Rollstuhl, weil er den normalen schon nicht mehr mit Muskelkraft bewegen kann. Ein Junge, der aufgeweckt und klug ist. Der sich für viele Dinge interessiert und kluge Fragen stellt. Wir gehen gemeinsam ins Kino, backen oder kochen zusammen, bummeln durch Minden, spielen am Computer, fahren zum Weihnachtsmarkt nach Bad Salzuflen und waren zusammen in einer Freizeit des Kinderhospitz.

Das war ein wunderbares Wochenende. Da der Junge in der Pubertät ist, möchte er sich nicht von Frauen pflegen lassen. Es war somit seine Bedingung, dass ich mitfuhr. Ich sagte ihm zu, dachte mir aber: was soll bloß daraus werden? Du musst ihm mit dem Toilettengang behilflich sein, ebenso beim Zähneputzen, waschen, ihm vom Rolli ins Bett heben, an- und ausziehen und vieles mehr. Wie willst du das schaffen? Du bist doch kein Pfleger!

Es wurde eines der schönsten Wochenenden in meinem Leben. Wir schliefen in einem Zimmer, da er sich nicht mehr von allein im Bett umdrehen kann. Die erste Nacht tat ich kaum ein Auge zu. Horchte immer wieder auf seine Atemzüge. Schläft er? Musst du ihn gleich drehen? Aber er schlief. Bis zum nächsten Morgen. Um es kurz zu machen. Es war wunderschön mit uns beiden. Als ich nach Hause kam sagte ich zu meiner Frau: „Vergiss alle Probleme, die wir so bewältigen müssen. Das ist alles unwichtig, nichtig. Liebe, Hilfe, Empathie. Das allein zählt.“

Nun schreitet die Krankheit weiter fort. Jetzt wurde ein Computer benötigt, ausgerüstet mit Sprachsteuerung für die kommende Zeit in der Schule, aber auch für Spiele in der Freizeit. Solch ein Teil kostet richtig Geld. Und woher nehmen? Wir schrieben also einige Stiftungen an, ob diese einen Teil der Kosten übernehmen würden. Der Junge selbst hatte in seinem Leben bisher rund 500 Euro gespart. Diese würde er mit einsetzten. Einige Stiftungen erteilten Absagen. Aber zwei, eine davon die „Andreas Gärtner Stiftung“, sagten zu. Sie würden das fehlende Geld übernehmen. Wir sollten sagen, wieviel Geld benötigt würde. Der Junge, die Eltern und ich waren superglücklich. Es geht weiter. Es flossen auch Tränen der Dankbarkeit. Und dann kam ein Anruf der „Andreas Gärtner-Stiftung“: „Wir haben uns überlegt, dass wir den benötigten Computer so bauen lassen, wie er gebraucht wird. Und wir werden alles übernehmen. Teilen uns die Kosten mit der Computerfirma. Der Junge muss sein Geld nicht angreifen!“

Sehen Sie, liebe Leser, das ist das wirkliche Plus hier bei uns in Minden und Umgebung. Nicht ein komisches Logo. Die Hilfsbereitschaft. Der Einsatz für Menschen in Not. Die Liebe zum Gegenüber. Überall in der Stadt, im Kreis Minden, in vielen Firmen. Denken Sie an die Flüchtlingshilfe, an die Menschen die sich ehrenamtlich für andere einsetzen, die spenden. Ob es die 3. Bürgerkompanie ist, von der eine große Spende kam, ob es ein Landwirt ist, der das Sommerfest für das Kinderhospitz auf seinem Hof ausrichtete, ob es der Einzelhändler ist, der statt Geburtstagsgeschenke Geld einsammelte, ob es der Spediteur ist, der das nächste Kinderfest ausrichtet oder die Kirchengemeinde, die einen Familienbrunch ausrichtete. Es gibt so viel Plus hier bei uns. Dafür bin ich dankbar.