Stadt lehnt Versicherung für Flüchtlinge ab
Wer haftet für eventuelle Unfallschäden?
Sie kommen meist besitzlos und arm aus Kriegsgebieten zu uns, sind entkräftet von der Flucht: Asylbewerber in Deutschland. An eine Haftpflichtversicherung denkt keiner von ihnen in den ersten Wochen – und niemand wird es ihnen verdenken. Doch was passiert, wenn ein Flüchtling an seinem Wohnort einen Schaden verursacht – beispielsweise als Radler im Straßenverkehr? Über die Frage, wer für die entstandenen Kosten aufkommt, herrscht Unsicherheit.
Beschädigt man fremdes Eigentum, übernimmt die Haftpflichtversicherung die Schäden – zumindest bei einem Großteil der Bevölkerung. Denn 30 Prozent aller Haushalte in Deutschland haben laut einer Allensbach-Umfrage keine private Haftpflichtversicherung. In einem solchen Fall kann die geschädigte Person zivilrechtlich gegen den Verursacher vorgehen und Anzeige erstatten. Hat derjenige aber nicht die finanziellen Möglichkeiten, um den Schaden aus eigener Tasche zu bezahlen, wird es unangenehm: Der Geschädigte bleibt auf den Kosten sitzen. Asylbewerber verfügen über keine Haftpflichtversicherung – und von den 352 Euro Sozialleistungen werden sie schwerlich für Schäden aufkommen können. Jörg Brokkötter, Pressesprecher der Westfälischen Provinzial, erklärt: „Sofern ein Flüchtling einem Dritten einen Schaden zufügt, so haftet der Flüchtling dem Geschädigten nach den Vorschriften des Zivilrechts. In der Regel sind die Flüchtlinge jedoch mittellos, sodass zwar eine Haftung bestehen kann, der Geschädigte jedoch keine Kompensation erhält und die Forderung scheitert mangels Vermögen des Schädigers.“ Für solche Fälle bietet die Provinzial den Kommunen Sammelverträge für die Privathaftpflichtversicherung von Flüchtlingen an – die Kommune könnte dann in Regress genommen werden und für Schäden aufkommen.
„Um den ’sozialen Frieden‘ nicht zu gefährden, erwägen manche Kommunen den Abschluss einer Sammel-Privathaftpflichtversicherung, die dann greift“, sagt Brokkötter. Es handele sich um eine pauschale Versicherung für alle in der Kommune untergebrachten Flüchtlinge. Auch der Mindener Verwaltung wurde eine solche Sammel- Privathaftpflichtversicherung angeboten, wie Katharina Heß von der Pressestelle der Stadt Minden bestätigt: „Die Provinzial ist in der Vergangenheit mit einem Versicherungsangebot an die Stadtverwaltung herangetreten.“ Die Offerte wurde jedoch abgelehnt. Katharina Heß erklärt: „Der Abschluss einer solchen Haftpflichtversicherung für Flüchtlinge würde eine freiwillige Leistung darstellen, es besteht also keine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Bei der Entscheidung, ob eine solche Versicherung abgeschlossen werden soll, ist zu berücksichtigen, dass auch für andere Personenkreise solche Versicherungen nicht abgeschlossen werden, wie zum Beispiel Leistungsempfänger nach SGB II bzw. Hartz IV oder SGB XII bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit. Auch außerhalb des Personenkreises der Leistungsempfänger haben durchaus viele Personen keine Haftpflichtversicherung. Das heißt, es stellt auch hier für den Geschädigten die Frage, von wem er Schadensersatz verlangen kann. Es realisiert sich also für den Geschädigten ein Risiko, dass auch in anderen Fällen besteht. Verkehrsunfälle zum Beispiel fallen in den privatrechtlichen Bereich – es handelt sich um eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger.“ Asylsuchende und anerkannte Asylbewerber seien in der Stadt Minden grundsätzlich nicht versichert. Krankenbehandlungskosten würden bei Beziehern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen von der Stadt Minden getragen.
Verkehrsregeln als Herausforderung für Flüchtlinge
Für viele Flüchtlinge ist das „komplizierte Verkehrssystem in Deutschland eine echte Herausforderung“, sagt Ralf Steinmeyer, Pressesprecher bei der Kreispolizeibehörde Minden- Lübbecke. Statistiken über Verkehrsunfälle mit Flüchtlingen werden nicht erhoben. Im Herbst des vergangenen Jahres habe es jedoch einen Verkehrsunfall in Porta Westfalica gegeben, bei dem ein afghanischer Asylbewerber auf seinem Rad schwer verletzt wurde. Im November hat die Polizei deshalb in der Notunterkunft Häverstädt eine Informationsveranstaltung für Flüchtlinge zur Verkehrssicherheit angeboten. Speziell sicheres Radfahren, Vorfahrtsregeln und die wichtigsten Verkehrszeichen wurden angesprochen. In der neuen Flüchtlingsunterkunft „Gut Denkmal“, in der bis zu 1000 Menschen untergebracht werden sollen, wird es eine solche Infoveranstaltung jedoch nicht geben. „In ‚Gut Denkmal‘ werden die Asylbewerber nur wenige Tage bleiben, die Fluktuation wird sehr hoch sein. Wir müssten also fortlaufend Infoveranstaltungen zum Thema Verkehrssicherheit geben. Das Arbeitspensum wäre für die Polizei nicht zu stemmen“, erklärt Steinmeyer. Die Polizei hoffe aber auf Kooperationspartner und Ehrenamtliche, die den Flüchtlingen die Verkehrsregeln erläutern, wenn Bedarf herrscht. Zudem werden Bilder und Piktogramme in der Notunterkunft aushängen, die die wichtigsten Verkehrsregeln erläutern.
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