Minden wird beklaut
Einzelhändler berichten über vermehrte Diebstähle
Es ist eine ganz normale Woche. Irgendwann im Laufe des Tages betreten sechs männliche Personen einen Handyshop in der Mindener Innenstadt. Sie schauen sich um. Einer der Truppe spricht den Ladeninhaber an und verwickelt ihn in ein Gespräch. Währenddessen schauen sich die anderen weiter hinten im Geschäft um. Nachdem die anderen fünf bereits den Laden wider verlassen haben, beendet auch der sechste sein Gespräch mit dem Inhaber und geht.
So ähnlich hat sich ein Vorfall an der Obermarktstraße innerhalb der vergangenen Monate abgespielt. „Als alle sechs Personen gegangen waren, habe ich mich in den Räumlichkeiten umgeschaut, vor allem im hinteren Bereich. Es war fast der ganze Laden leer geräumt. Alle Geräte waren weg“, berichtet Ramón Reschke vom Vodafone Geschäft an der Obermarktstraße. Kein Einzelfall. Wenn Ramón im Kundengespräch ist, kann er den hinteren Bereich nicht überblicken. Der Vorfall wiederholte sich. „Ich hatte hier im Laden eigentlich immer Handys und auch Auslagen mit Zubehör. Das habe ich nun alles entfernt. Es wurde immer wieder geklaut. Handys gibt es jetzt nur noch auf Bestellung, vor Ort habe ich keine mehr“, erklärt Ramón seine Sicherheitsmaßnahmen. Auch Auslagen gebe es in der Form wie früher nicht mehr. „Zubehörauslagen wie zum Beispiel Handyhüllen, die schnell zugänglich waren, sind teilweise innerhalb eines Tages geklaut worden“, berichtet er weiter. Deshalb habe er diese nun auch entfernen müssen, da die Verluste einfach zu hoch seien. Nach seinen Einschätzungen hätten die Diebstähle in den vergangenen zwei Monaten zugenommen.
Rainer Bantelmann vom Modegeschäft ZWEIbisVier stimmt zu: „Seit ein paar Monaten gibt es mehr Diebstähle.“ Bei den Diebstählen handelte es sich meist um teure Modeartikel, die ihm finanziell richtig schmerzen. Erst vor kurzem hatte sich ein solcher Vorfall ereignet. „Da in letzter Zeit mehr geklaut wurde als sonst, hatte ich eine teure Jacke, die draußen an einer Puppe hing, besonders gut gesichert“, berichtet der Einzelhändler. Die Jacke war mit einer Sicherung zusätzlich an einem T-Shirt befestigt. Plötzlich habe innerhalb von Sekunden ein junger Mann die Jacke von der Puppe gerissen und sei damit weggelaufen. Das T-Shirt war zerrissen, die Jacke im Wert von mindestens 150 Euro weg. Ein Schaden von fast 200 Euro. „Eine Mitarbeiterin hat sofort die Polizei gerufen, die dann kurze Zeit danach mit dem Täter hinten im Auto vorfuhr. Dort saß eine vermutlich ausländische männliche Person.“ Um weiteren Diebstahlschäden zu entgehen, hat Rainer nun alles doppelt und dreifach gesichert. Ziemlich viel Aufwand, um Langfingern das Handwerk zu legen. „Der Fall des Diebstahls im Modegeschäft an der Obermarktstraße liegt der Polizei vor“, bestätigt auch Ralf Steinmeyer, Pressesprecher der Polizei Minden-Lübbecke. „Grundsätzlich passieren in Minden, wie auch in jeder anderen Stadt, Ladendiebstähle“, berichtet der Hauptkommissar. Die Diebe seien bunt gemischt: Von Kindern bis Senioren sei alles dabei. „Allerdings gibt es darunter auch sichtlich organisierte Personengruppen, die geplante Diebstähle begehen“, führt er weiter aus und bestätigt damit die Schilderungen der genannten Einzelhändler. Ob Ladendiebstähle zugenommen haben, kann er nicht beurteilen. „Wir erfahren nur von jenen Diebstählen, die uns auch gemeldet werden. Da viele Einzelhändler mit Ladendetektiven zusammenarbeiten, werden gar nicht alle Fälle an uns herangetragen. Somit können wir uns kein Bild davon machen, wie viele Straftaten tatsächlich verübt worden sind. Fakt ist aber, dass fast tagtäglich kleinere Ladendiebstähle stattfinden.“ Ein Detektiv eines Mindener Bekleidungsgeschäfts schließt sich den Aussagen der Polizei teilweise an. Nach seinen Aussagen würde die Polizei nur gerufen, wenn Personen mit geklauter Ware aufgegriffen wurden, die Personalien vorweisen könnten. „Solche Leute kommen allerdings immer wieder, da sie aufgrund mangelnder Identität keine Strafe bekommen“, erzählt der Detektiv. Auch Anzeigen würden in diesem Fall nicht weiter verfolgt, da manche Personen plötzlich nicht mehr aufzufinden seien. „Die Staatsanwaltschaft stellt in solchen Fällen das Verfahren wieder ein.“ So käme es dann vor, dass trotz Hausverbot immer wieder die gleichen Kriminellen das Geschäft betreten und klauen. Auffällig ist, dass viele Einzelhändler über Diebstähle an den Auslagen im Außenbereich berichten. Diese möchten zwar namentlich nicht erwähnt werden, haben aber Stellung bezogen. Als Gegenmaßnahme werden die Auslagen nun zunehmend gesichert oder gar nicht mehr rausgestellt. Im Umkehrschluss werden somit wieder weniger Kunden anlockt. Schäden tragen also viele davon. Auch Tony Kuhlmann, Mitarbeiter des Bekleidungsgeschäfts Camp David, berichtet über vermehrten Diebstahl an den Außenauslagen: „Seit dem Sommer sind die Diebstähle merklich gestiegen und das vor allem im Außenbereich. Wir achten jetzt verstärkt darauf und stellen nicht mehr so viel Ware raus.“ Gefasst worden sei bisher nur eine Person, da der Diebstahl meist erst im Nachhinein festgestellt worden sei. Andere Händler, vorwiegend an der Bäckerstraße, sind nach eigenen Angaben allerdings wenig bis gar nicht betroffen. Oder aber das Diebstahlbarometer sei seit Jahren stabil. „Bei uns ist es nicht schlimmer geworden“, berichtet Martina Wehking von Ernstings Family.
„Minden war schon immer ein heißes Pflaster. Daher haben wir selbst draußen alles gesichert.“ Ralf Steinmeyer sieht die Diebstahlsschwankungen als normales Auf und Ab: „Im Laufe eines Jahres gibt es immer wieder Spitzen, in denen mehr geklaut wird. Ein gutes Beispiel ist die Vorweihnachtszeit.“ Welchen Schaden die Diebe anrichten, zeigt eine Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI. Demnach seien dem deutschen Einzelhandel im vergangenen Jahr Waren im Wert von mehr als drei Milliarden Euro gestohlen worden. Das stößt bitter auf, vor allem kleineren Läden – speziell den Läden, die das Flair einer Stadt ausmachen.
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