Bürgermeisterkandidaten wird auf den Zahn gefühlt

Bürgermeisterkandidaten wird auf den Zahn gefühlt

Quartett im Rededuell

Elf Wochen noch bleiben den Mindenern, bis sie ihren neuen Bürgermeister wählen dürfen. Einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf lieferte die „IHK-Podiumsdiskussion zur Wahl des Bürgermeisters in Minden“ in den Räumen der Follmann Chemie GmbH. Die Mindener Zweigstelle der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen hat die vier Bürgermeisterkandidaten am Mittwoch ins Gebet genommen. Ulrich Stadtmann (CDU/FDP/Grüne/Bürger-Bündnis Minden/Piraten), Michael Jäcke (SPD), Jürgen Schnake (parteilos) und Matthias Beier (Unabhängige Bürgerpolitik – Unabhängige Wählergemeinschaft UB-UWG) äußerten sich zu wirtschaftspolitischen Themen, die in Minden schwelen.

Die von der IHK ausgearbeiteten „Wahlprüfsteine“ waren der rote Faden, der die Rededuelle strukturierte. Nach zwei Stunden Diskussionszeit war den Zuschauern klar: Die hohe Verschuldung der Stadt mit ihren Auswirkungen, Wirtschaftsförderung, Fachkräftemangel, Verkehrspolitik und die Innenstadtentwicklung werden die zentralen Wahlkampfthemen sein. Unter Einbindung namhafter Unternehmer aus der Region entbrannte eine lebhafte Debatte.

Die Kandidaten und ihre Standpunkte

Ulrich Stadtmann (CDU)

Ulrich Stadtmann (CDU)

Ulrich Stadtmann (CDU) zeigte sich angriffslustig. Er würde den Fokus auf die Haushaltskonsolidierung der Stadt Minden legen, wenn er zum Bürgermeister gewählt wird. „Man darf nur ausgeben, was auch eingenommen wird“, lautet Stadtmanns Credo. Er sei der richtige Mann, um die öffentlichen Schulden und das strukturelle Defizit der Stadt zu beseitigen. Als Fraktionsvorsitzender habe er in der Vergangenheit gezeigt, dass er Mehrheiten organisieren kann. Stadtmann betonte: „Es geht nur übers ‚Miteinander‘ in Minden“. Das zeige nicht zuletzt das breite Fünfer-Bündnis, das ihn zum Bürgermeisterkandidaten auserkoren hat.

Jürgen Schnake

Jürgen Schnake

„Die Stadt Minden ist pleite und handlungsunfähig.“ Mit markigen Worten und ungewöhnlichen Ideen, wie der Abschaffung der Hundesteuer, sorgte der parteilose Kandidat Jürgen Schnake für Aufsehen. Er würde Minden vom Landkreis abkoppeln und zur kreisfreien Stadt machen. Die Kreisumlage könnte man sich dadurch sparen – höhere Gewerbesteuereinnahmen wären die Folge. Nur so sei die Stadt dauerhaft zu entschulden und die Politik wieder handlungsfähig. Weitere Einnahmequellen könnte man durch Leerstandssteuern erschließen.

Matthias Beier (UB-UWG)

Matthias Beier (UB-UWG)

UB-UWG Kandidat Matthias Beier würde bei einer Wahl zum Bürgermeister eine Kreis-Kooperation zum Bau einer Westfalen-Arena in Bahnhofsnähe auf den Weg bringen. Die aktuelle Innenstadtplanung ist dem Kreisratsmitglied ebenfalls ein Dorn im Auge: „Die geplante Beseitigung der historischen Laternen möchte ich verhindern. Solche historischen Elemente müssen fürs Stadtbild ganz bewusst erhalten bleiben“, sagte Beier. Andernfalls versprühe Minden demnächst den „Charme“ von DDR-Plattenbauten.

Michael Jäcke (SPD)

Michael Jäcke (SPD)

Michael Jäcke von der SPD will kein „verwaltungstechnischer“, sondern „politischer“ Bürgermeister sein. SPD und Wirtschaft passe laut Jäcke gut zusammen. Den Industriestandort Minden sieht er breit aufgestellt und auf einem guten Weg, der weiterverfolgt werden müsse. Jäcke verteidigte die Amtszeit seines Parteikollegen und Noch-Bürgermeisters Michael Buhre. Jäcke: „In den letzten zehn Jahren unter Michael Buhre herrschte in Minden keineswegs Stillstand, das Ergebnis der Arbeit der SPD-Fraktion kann sich sehen lassen.“ Für die nahe Zukunft werde ein ausgeglichener Haushalt erwartet, wenngleich Jäcke keine Steuererhöhungen ausschließen wollte, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Kontroversen

Speziell am Wirtschaftsstandort Minden scheiden sich die (Kandidaten-) Geister. Für Ulrich Stadtmann verkauft sich Minden dramatisch unter Wert. Die Wirtschaft brauche Freiräume, um sich zu entwickeln. Stadtmanns Lösung ließ aufhorchen: „Minden muss Großstadt werden.“ Minden solle den Dialog mit den Nachbarn aus Porta suchen. Minden-Porta: Eine Stadt, eine Verwaltung, ein Marketing. 120.000 Einwohner – neue Chancen und größere Lebensqualität. Michael Jäcke erwiderte, Stadtmann baue Luftschlösser, die nicht zu realisieren sind. Eine Kooperation mit Porta sei zwar sinnvoll – jedoch nur, was die Verkehrsproblematiken beider Städte betrifft. Ein gemeinsamer Wirtschaftsstandort Minden-Porta sei keine Option. „In Minden müssen einfach mehr Gewerbeflächen geschaffen werden, um die Expansion und Ansiedlung von Unternehmen zu ermöglichen. Hier ist die Politik gefordert“, erklärte Jäcke. Vorwürfen Jürgen Schnakes, die SPD habe in der Vergangenheit schlecht gewirtschaftet, widersprach Jäcke vehement: „Was wir hatten, haben wir erhalten. Und das war nicht leicht, denn die weltweite Finanzkrise 2008 und die Unterversorgung durch den Bund hat Städte wie Minden stark getroffen.“ Erklärungen für einen maroden Haushalt, die Jürgen Schnake nicht gelten ließ. Vergleichbare Städte hätten die Finanzkrise schließlich unbeschadet überstanden. „Die Stadt Minden hat schlichtweg versäumt, Einnahmen zu generieren“, meinte Schnake. Matthias Beier wiederum sieht das aktuelle Wirtschaftsförderungskonzept der Stadt als reinen „Papiertiger“. Viel Druckerschwärze, doch wenig Lösungen. Der Attraktivität der Innenstadt käme es laut Beier schon zugute, wenn man den Weg vom Bahnhof zur Stadt verkürze und somit – für Besucher – eine bessere Verkehrsanbindung schaffe.

Ausblick

Vier Bürgermeisterkandidaten, vier Konzepte, viele verschiedene Meinungen. Mindens Bürgerinnen und Bürger dürfen einen spannenden Wahlkampf erwarten. Und ganz gleich, was in den Wochen bis zum Wahltag am 13. September noch passieren mag. Fritz Drabert, Mindener Geschäftsmann und Co-Moderator der Runde, hat es richtig und trocken auf den Punkt gebracht: „Einer ist am Ende bisher immer gewählt worden.“

Dr. Henrik Follmann war ein würdiger Gastgeber und stellte die Räume der Follmann Chemie GmbH zur Verfügung. Follmann hob die heterogene Wirtschaftsstruktur Mindens hervor und gab ein klares Standortbekenntnis zu seiner Heimatstadt ab.

Dr. Henrik Follmann war ein würdiger Gastgeber und stellte die Räume der Follmann Chemie GmbH zur Verfügung. Follmann hob die heterogene Wirtschaftsstruktur Mindens hervor und gab ein klares Standortbekenntnis zu seiner Heimatstadt ab.

Korrektur

Dieser Bericht wurde überarbeitet. Natürlich will Jürgen Schnake nicht die Hundesteuer erhöhen, wie es in der ursprünglichen Version stand. Er will die Hundesteuer abschaffen. Matthias Beier will außerdem keine Westfalen-Arena auf dem Gelände der Kampa-Halle errichten, er will die Arena in Bahnhofsnähe bauen. Wir entschuldigen uns für diese Fehler.