Ulrich Stadtmann löst Dr. Rolf Koerber ab
Breites Bündnis vs. Mindener Initiative: Schneller Kandidatenwechsel sorgt für Zwist
Über Monate haben sie ihn gesucht, ihren Bürgermeisterkandidaten. Erst wurde intern nach ihm gefahndet, dann wurde er öffentlich ausgeschrieben. Eine Findungskommission wurde eingeschaltet, führte 35 Gespräche mit Anwärtern unterschiedlicher Couleur. Anfang Mai schien die Jagd nach Mister X endlich beendet. Optimistisch und mit viel Brimborium präsentierte das Fünf-Parteien-Bündnis aus CDU, Grünen, FDP, Bürger-Bündnis Minden (BBM) und Piraten Dr. Rolf Koerber als gemeinsamen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in Minden. Inzwischen, knapp einen Monat später, ist die Euphorie um Koerber Ernüchterung gewichen: Der Dresdner hat aus persönlichen und familiären Gründen seinen Kandidaturverzicht erklärt.
Mit Verständnis haben CDU, Grüne, FDP, Piraten und BBM in einer Presseerklärung auf Dr. Rolf Koerbers Rückzug reagiert. Menschlich wie politisch sei Koerbers Entscheidung zu respektieren, wenngleich man sie bedaure. Ein geräuschloser Abgang des einstigen Hoffnungsträgers. Koerber ist Vergangenheit. Die Zukunft heißt Ulrich Stadtmann. Der 53-Jährige – seit 2009 Fraktionsvorsitzender der Mindener CDU – wurde als neuer potenzieller Bürgermeisterkandidat auserkoren. Kurz nach Koerbers Demission haben CDU, Piraten und BBM Stadtmann auf den Kandidatenschild gehoben. Auffallend schnell, wenn es nach der Mindener Initiative (MI) geht. Die Unabhängige Wählervereinigung ist erstaunt über die rasche Nominierung – verlief die Suche nach einem Bürgermeisterkandidaten zuvor doch monatelang erfolglos. Die geplante Kandidatur Stadtmanns habe daher ein „besonderes Geschmäckle“, kritisiert Harald Steinmetz, Fraktionssprecher der MI, das breite Bündnis.
„Was vorher so schwierig war, scheint nun auf einmal so einfach und schnell zu gehen. Das macht nachdenklich. Wie kann eine solche Umentscheidung so schnell vonstattengehen“, wundert sich Steinmetz. „Das grenzt an das klassische ‚Aus dem Hut zaubern‘.“ Weiter gibt er zu bedenken: „Für die anstehende Bürgermeisterwahl wäre auch eine Möglichkeit gewesen, mit allen Fraktionen gemeinsam auf die Suche nach einem geeigneten Bewerber zu gehen. Ein Bewerber, der die erforderliche Verwaltungs- und Führungserfahrung sowie ausreichendes kommunalpolitisches Gespür hat. Doch mit der frühzeitigen Kandidatenkür der SPD mit Michael Jäcke haben die Sozialdemokraten im vergangenen Jahr zumindest die CDU als zweite große Fraktion im Rat unter Druck gesetzt und in Zugzwang gebracht.“ Vorwürfe, denen die beiden Parteivorsitzenden Lutz Abruszat (CDU) und Frank Tomaschewski (Piraten) entschieden entgegentreten. Die MI betreibe ihrer Meinung nach „Nörgelpolitik“ und übernehme keine Verantwortung für die Stadt Minden. „Ausgerechnet die MI, die sich monatelang nicht an der Bürgermeistersuche beteiligt hat, meldet sich jetzt zu Wort. Das hat schon ‚Geschmäckle‘, wenn der Fraktionsvorsitzende der MI jetzt eine gemeinsame Findung als Ideallösung fordert“, kontert Abruszat.
Frank Tomaschewski wird noch deutlicher: „Trotz Einladung hat sich die MI nicht an der Bürgermeisterkandidatensuche beteiligt.“ Befremdlich finden die Vertreter von CDU und Piraten, dass Harald Steinmetz durch seine Nichtbeteiligung die jüngsten Entwicklungen überhaupt nicht beurteilen könne, sich aber jetzt anmaße, Kritik an anderen Parteien bzw. Bündnissen zu üben. Auch die kurzfristige Nominierung Stadtmanns verteidigen Abruszat wie auch Tomaschewski. In Anbetracht der Kürze der Zeit bis zum Wahltag sei es nur folgerichtig gewesen, schnell einen kompetenten Nachfolger für Rolf Koerber zu finden. Unisono erklären beide: „Mit der Entscheidung der Vorstände in den letzten Tagen, Ulrich Stadtmann als Nachfolger zu präsentieren, sei kein ‚Kandidat aus dem Hut gezaubert worden‘, sondern die Vertreter der Vorstände des Bündnisses werden ihren Mitgliedern einen Vorschlag zur Entscheidung vorlegen, um weiterhin die Kandidatur auf eine breite Basis zu stellen.“
MiKu-Interview mit Ulrich Stadtmann, Mindener Fraktionsvorsitzender und neuer Bürgermeisterkandidat von CDU, Grünen, FDP, Piraten und Bürger-Bündnis Minden
Minden Kurier: Wieso haben Sie sich erst jetzt zur BM-Kandidatur entschieden – in einer „Notsituation“ – und nicht bereits vor einigen Monaten?
Ulrich Stadtmann: Für mich war es immer wichtig, dass ein geeigneter Kandidat von einem breiten Bündnis unterstützt wird. Während der Suche nach einem Kandidaten sind sich fünf Parteien / Wählervereinigungen näher gekommen und das gegenseitige Vertrauen ist gewachsen. Nachdem Herr Dr. Koerber nicht mehr zur Verfügung steht, sind auch Kollegen aus den anderen Parteien auf mich mit der Frage zugekommen, ob ich zur Verfügung stehe. Das war sozusagen der entscheidende Auslöser für mich.
MiKu: Warum halten Sie sich fürs Bürgermeisteramt geeignet und welche politischen Themen liegen Ihnen besonders am Herzen? Welche Schnittmengen existieren zwischen der Funktion eines Fraktionschefs und der eines Bürgermeisters?
Stadtmann: Gemeinsam an der Arbeit eines Fraktionschefs und eines Bürgermeisters ist, dass man für die Durchsetzung seiner Ziele Mehrheiten braucht. In der Vergangenheit habe ich es geschafft, viele Dinge in Minden zu bewegen und mit Ausdauer, Überzeugungskraft und Gespür für Menschen auch Mehrheiten herbeizuführen. Der Ausbau der Betreuung im Offenen Ganztag in den Grundschulen lag mir dabei besonders am Herzen. Durch meine verschiedenen Arbeitfelder, u.a. als Leiter des Offenen Ganztags an der Michael-Ende-Schule in Hahlen, als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Mindener Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft und des Verwaltungsrates der Sparkasse Minden-Lübbecke konnte ich in den vergangenen Jahren die Mindener Verwaltung und die städtischen Beteiligungsgesellschaften intensiv kennenlernen. Als Fraktionsvorsitzender der zweitgrößten Fraktion im Stadtrat nehme ich zudem eine Schlüsselstellung ein, aus der heraus ich jetzt schon die wesentlichen Entscheidungen für die weitere Entwicklung der Stadt treffen muss. Der Erhalt und Ausbau unserer Sport- und Kultureinrichtungen ist mir dabei besonders wichtig. Ich wünsche mir ein modernes Kino in der Stadt und eine Innenstadt mit weiteren Geschäften, in denen das Einkaufen Spaß macht, damit wieder mehr Menschen gerne nach Minden kommen. Als Bürgermeister für Minden werde ich mich dafür einsetzen.
MiKU: Wie sehen die Schritte der nächsten Wochen aus? Wann wird die Bewerbung eingereicht etc.?
Stadtmann: Nachdem mich diverse Vorstände vorgeschlagen haben, werde ich mich nun den Mitgliedern der Parteien und Wählervereinigungen vorstellen und hoffe hier auf eine breite Unterstützung. Die Terminabstimmung für die Versammlungen laufen derzeit, ich denke, dass der offizielle Teil bis zu Beginn der Sommerferien abgeschlossen ist. Nebenbei laufen natürlich die organisatorischen Vorbereitungen für die Kampagne.