Salamieh, Beirut, Eldagsen
Hassan Mir Ahmad: Aus dem Brennpunkt ins Flüchtlingsheim
November. Milde 12 Grad. Hin und wieder lugt die Herbstsonne unter der Wolkendecke hervor. Die letzten bunten Blätter fallen von den Bäumen und säumen den Straßenrand. Wir befinden uns auf der Bundesstraße 61 nach Petershagen-Eldagsen, auf dem Weg zu Hassan Mir Ahmad – syrischer Asylbewerber und einer von aktuell 15 Bewohnern in der Übergangsunterkunft in Eldagsen.
Biegt man in Eldagsen ein, schweift der Blick unweigerlich ab vom Siedlungskern. Das Flüchtlingswohnheim liegt etwas abseits des Dorfes und fällt architektonisch aus der Reihe. Ein typischer Betonbau, 1994 für die Asylbewerber hochgezogen: Funktional, grau und nicht besonders schön. Das Grün im Garten akkurat gestutzt, an der Seitenwand des Hauses lehnen Fahrräder, auf einem Balkon im zweiten Stock sieht man ausrangierte Sofas. Hassan Mir Ahmad passt uns vor der Eingangstür ab. Ein freundlicher Mann. Schütteres Haar, Strickpullover. Durch einen schmalen Gang begleiten wir ihn in sein Zimmer. Die Raumausstattung ist karg, aber ausreichend: Ein Doppelstockbett, eine Liege, drei Spinde, ein Esstisch und ein kleiner Röhrenfernseher. Das Interview führen wir auf Englisch – Hassan beherrscht es nahezu fließend. Er ist gebildet und mehrsprachig, in jungen Jahren hat er in Moskau Elektrotechnik studiert. Er erzählt uns seine Geschichte.
Sein Haus: in Schutt und Asche gelegt. Sein Auto: zertrümmert. Viele seiner Nachbarn haben den Anschlag nicht überlebt. Nachdem ein Selbstmordattentäter sein Dorf mit 3,5 Tonnen TNT in die Luft gejagt hat, steht für Hassan endgültig fest: in Syrien, in seiner Heimatstadt Salamieh, gibt es für ihn und seine Familie keine gesicherte Zukunft mehr.
„Ich habe in den letzten Jahren sechs Familienangehörige im syrischen Bürgerkrieg verloren. Und mein Schwager wurde vor ein paar Wochen auf dem Weg zur Arbeit erschossen von der IS-Terrorgruppe“, erzählt der 49-Jährige von furchtbaren Zuständen in Salamieh.
In einer wahren Odyssee flieht Hassan im Juni aus seiner Heimat – über Damaskus und Beirut landet er in Deutschland, vorerst in Frankfurt. Nach kurzem Zwischenstopp bei Verwandten im saarländischen Lebach, lebt er nun in Petershagen-Eldagsen. Angekommen ist er mit zwei Koffern, ohne Deutschkenntnisse – und – ohne seine Frau und beiden Töchter. Seit fünf Monaten trennen ihn tausende Kilometer von seiner Familie.
Die Gastfreundschaft der Einheimischen überrascht Hassan: „Die Menschen hier behandeln mich sehr gut, alle sind nett und freundlich zu mir. In den Geschäften oder bei der Post helfen mir die Menschen so gut sie können. Die Caritas unterstützt uns auch sehr, zweimal in der Woche machen sie mit uns einen Deutschkurs. Es wird immer besser“, glaubt Hassan, dass er sich bald richtig unterhalten kann mit den Petershäger Bürgern. Und ihnen eines Tages seine Frau und beiden Töchter vorstellen kann…auf Deutsch.