Minden als Hochburg der Hexenverfolgung

Minden als Hochburg der Hexenverfolgung

Verdächtigt, verhört, verbrannt

Umhüllt von einem dunklen Schleier zeigte sich Minden im 16. und 17. Jahrhundert. Gerüchte über Hexen, die auf einer dreibeinigen Ziege rückwärts über die Stadtmauern sprangen, machten die Runde. Viele Menschen wurden verhört und gefoltert. Mindestens 95 Menschen wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

„Aufgrund ihrer Verfolgungsintensität wird die Stadt Minden heute zu Recht einer der Kernregionen der europäischen Hexenverfolgung zugeordnet“, schreibt Barbara Groß in ihrer Doktorarbeit „Hexerei in Minden“. Zwischen 1584 und 1684 mussten sich mindestens 170 der mutmaßlichen Hexen vor dem Rat verantworten, mindestens 134 wurden angeklagt und mindestens 95 wurden zum Tode verurteilt. Genaue Zahlen gibt es nicht. „Es wurde nicht lückenlos dokumentiert“, erklärt Historikerin und Stadtführerin Sabine Mirbach.

Sabine Mirbach, Historikerin und Stadtführerin

Sabine Mirbach, Historikerin und Stadtführerin

 

Ins Visier des Stadtrates konnte wirklich jeder geraten. Unabhängig von der sozialen Stellung, des Alters oder des Geschlechts. „Das, was früher beklaffen (Anm. d. Red: bedeutet so viel wie „anschwärzen“) war, ist heute schlicht und einfach Mobbing“, so Mirbach. Oft wurden die Opfer einfach nur aus Missgunst angeklagt, es kam aber auch häufig vor, dass den Angeklagten während der Verhöre mittels Folter weitere Namen entlockt werden sollten. Und wenn man gezwungen wird, wessen Namen nennt man da? Wahrscheinlich eher die der eher unbeliebten Bürger.

Erhob der Stadtrat Anklage, wurde man zunächst gütlich befragt, also verhört. Führte das nicht zum gewünschten Ergebnis, beantragte der Stadtrat die peinliche Befragung – die Folter. Beantragt wurde das bei den Universitäten. Viele der renommierten Unis kehrten diesen Methoden den Rücken zu, die Universität Rinteln jedoch war eher konservativ und stimmte den Anträgen stets zu. Auch dieser Umstand machte Minden zu einer der Hochburgen der Hexenverfolgung – genauso wie die Tatsache, dass Minden die Blutgerichtsbarkeit verliehen wurde. Das bedeutet, dass die Stadt selbst Todesurteile verhängen durfte und sich nicht an eine höhere Instanz wenden musste.

Minden,  002

Unter der schlimmen Folter wurde meist alles gestanden, was der Stadtrat hören wollte. In Minden sind vier bis fünf Menschen bei der Folter umgekommen, wahrscheinlich haben sie sich selbst umgebracht. Als Erklärung dafür sagte man damals: „Da hat der Teufel ihr den Hals umgedreht, damit sie nichts mehr verrät.“ Auch wurden die mutmaßlichen Hexen oftmals der Wasserprobe unterzogen. Sie wurden – an Händen und Füßen zusammen gebunden – ins Wasser gelassen, weil man davon ausging, dass das „heilige Element“ eine Hexe nicht aufnehmen würde. Wer also unterging und starb, war keine Hexe. Wer oben blieb, wurde hingerichtet. Diese Probe wurde meist am Hexenteich durchgeführt, „ein im Norden der Stadt zwischen äußerem Wall und alter Stadtmauer gelegener Tümpel“, wie Barbara Groß in ihrer Arbeit beschreibt. Dieser Teich existiert allerdings heute nicht mehr.

Waren die Beklagten jedoch geständig, wurde schnell ein Urteil verhängt. „Die Verkündigung des Urteils war auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, das war wie ein Volksfest, eine richtige Attraktion“, schildert die Historikerin Sabine Mirbach die sogenannte „Urgicht“, also das öffentliche Geständnis vor allen Bürgern. Verbrannt wurden die mutmaßlichen Hexen allerdings nie auf dem Marktplatz. „Richtstätten waren immer vor den Toren der Stadt, also außerhalb der Stadtmauern“, sagt Mirbach. Schließlich hatte man Angst davor, dass die Seelen sonst in der Stadt bleiben. Auch fürchtete man sich vor Wiedergängern, die zurückkommen um sich an den Beteiligten des Prozesses zu ändern. Aus dem Grund wurden die Hexen auch verbrannt und nicht gehängt: „Umso zerstörter der Körper ist, umso schlechter kann er sich wieder zusammensetzen“, erklärt sie. Die Asche wurde anschließend an den Wegkreuzungen vor den Toren der Stadt verstreut – „bei einer Wegkreuzung stehen die Chancen schließlich 50/50, dass die Hexe den falschen Weg nimmt“, schmunzelt Mirbach.

Anna Maßmeyers Fall
Einer der am besten dokumentiertesten Fälle in Minden ist der der Anna Maßmeyer. Noch heute kann die vollständige Akte aus dem 17. Jahrhundert im Mindener Kommunalarchiv eingesehen werden. Ursprünglich kam sie aus Lübbecke. Da dort aber einige ihrer Verwandten der Hexerei beschuldigt wurden, sollte sie aus der Schusslinie genommen werden und wurde zu ihrer Tante nach Minden geschickt. Hier nahm das ganze Unglück seinen Lauf – immer wieder geriet sie in Verdacht. Dann wurde sie beschuldigt. Angeklagt. Gefoltert. Während der Befragungen widersprach sie sich immer wieder – forderte aber auch immer wieder die Wasserprobe, die sie – möglicherweise aufgrund von Manipulation – nicht bestand. Letzten Endes wurde sie hingerichtet.

Minden,  003-ganz-klein
Führungen in Minden
Wer mehr über die Geschichte der Anna Maßmeyer erfahren möchte, sollte an Sabine Mirbachs Stadtführung „Einblicke in ein dunkles Kapitel der Geschichte“ teilnehmen. Dort übernimmt sie die Rolle der Anna und bringt den Teilnehmern ihren Werdegang und die Orte näher, die in ihrem Leben von Bedeutung waren. Der nächste Termin ist am 12. November um 18 Uhr.
Passend zu Halloween…
…wollten wir ein schauriges Thema aufgreifen und Mindens Mysterien auf den Prüfstand stellen – bei der Recherche nach Geschichten über Fabelwesen verschiedener Art sind wir jedoch nur auf die Hexenverfolgung gestoßen. Leider ist das jedoch kein Schauermärchen, sondern eine wahre und vor allem ernste Begebenheit – wie sie im Bericht selbst nachlesen können.

Hexenführung