Schreien, schimpfen, schlagen!
Kicken ihre Kinder, liegen bei Eltern oft die Nerven blank
Väter, die wutentbrannt auf den Schiedsrichter losstürmen. Aufbrausende Mütter, die taktische Kommandos aufs Spielfeld brüllen und ihre Söhne auffordern, den Spielmacher des Gegners doch mal gepflegt „umzuholzen“. Seit geraumer Zeit tummelt sich auf den heimischen Bolzplätzen eine neue, angriffslustige Spezies: Aggressive Fußball-Eltern sorgen Woche um Woche für Eklats bei den Spielen ihrer Sprösslinge.
Stehen bei den Bambinis und F-Junioren Freude und Spaß am Sport im Vordergrund, zeigen sich ihre Erziehungsberechtigen abseits des Spielgeschehens als schlechte Verlierer und noch schlechtere Vorbilder. Nicht nur den Kindern selbst gehen die Zornesausbrüche ihrer Eltern zunehmend auf die Nerven. Dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist die Problematik schon länger ein Dorn im Auge: Unter dem Slogan „Fair bleiben, liebe Eltern“ wird den Erwachsenen vom DFB eine Art Verhaltensfibel mit auf den Weg gegeben. Darin zu finden sind einfachste Benimmregeln wie: „Selbst wenn es Dir manchmal schwerfällt: Auch die Anderen (Gegner, Trainer, Schiedsrichter…) verdienen Anerkennung und Respekt.“ Eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen. Spätestens jedoch, wenn sich der Sohnemann auf der Verliererstraße befindet, der Schiedsrichter die dritte – vermeintliche – Fehlentscheidung zu Ungunsten des eigenen Nachwuchses trifft, werden Prinzipien der Fairness schnell vergessen und Begeisterung schlägt in Wut um. Leidtragende sind nicht selten die Kinder. „Die Jungen und Mädchen wollen einfach nur Spaß am Fußball haben und wissen im Spiel oft gar nicht genau, wie es steht. Viele Eltern aber sind überehrgeizig, zählen jedes Tor mit und können schlecht akzeptieren, wenn ihre Kinder verlieren. Die Kleinen werden so einem ungesunden Erfolgsdruck ausgesetzt“, erzählt Michael Grützkowski. Der Vorsitzende des Kreisjuniorenausschusses Minden engagiert sich seit 15 Jahren für einen sauberen Jugendfußball, frei von Intoleranz und Gewalt. „Die Probleme entstehen erst, wenn Eltern von außen ins Spiel eingreifen. Das fängt damit an, dass Trainern in die Aufstellungen reingeredet wird und endet schlimmstenfalls in Handgreiflichkeiten mit Schiedsrichtern und gegnerischen Zuschauern“, weiß der Beauftragte für Gewaltprävention im Fußballsport zu berichten. „Ich schätze, bei 200 Jugendspielen im Kreis Minden-Lübbecke kommt es im Schnitt zu etwa vier bis fünf Fällen von Ausschreitungen am Spielfeldrand“, so Grützkowski. Eindeutig zu viel. Bei besonders schwerwiegenden Vorkommnissen entscheidet die Jugendspruchkammer Bielefeld über Sanktionen gegen tätliche Eltern.
Soweit muss es natürlich nicht kommen. Um Gewalteskalationen vorzubeugen, haben etliche Landesverbände und Fußballkreise mittlerweile sogenannte „Fair-Play-Ligen“ eingeführt. Die Spiele der Vorschulkinder zeichnet bei diesem Format eine himmlische Ruhe aus: Auf und neben dem Platz. Die Ursachen für die entspannte Atmosphäre liegen auf der Hand. Allen Eltern potentieller Özils und Götzes ist es in der „Fair-Play-Liga“ strikt untersagt, sich dem Spielfeld auf weniger als 15 bis 20 Meter zu nähern. Eine Maßnahme, die Wirkung zeigt. Der Sicherheitsabstand erlaubt den Kids einen störfreien und spaßigen Spielverlauf, ohne hysterische Zwischenrufe von Mama und Papa. Pöbelnde und prügelnde Eltern? Fehlanzeige!
Die Erwachsenen auf zuverlässige Distanz zum Spielgeschehen zu halten, ist nicht die einzige Besonderheit der „Fair-Play-Liga“. Der Schiedsrichter ist hier Moderator und kommt ohne Pfeife aus. Ob Elfmeter, Einwurf oder Ecke – die Kinder sind dazu angehalten, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Der Moderator schreitet nur im Notfall ein. Auf spielerischem Wege lernen die Kleinen somit, Verantwortung zu übernehmen und sportlich fair zusammenzuarbeiten.
Keine nervenden Eltern und keine schlechten Schiris. Klingt ganz danach, als könnten sich die Weltmeister von Morgen einzig und allein auf ihren heiß geliebten Fußball konzentrieren.