Kleine Betriebe, große Sorgen

Kleine Betriebe, große Sorgen

In Minden-Lübbecke gibt es immer weniger Bäckerei- und Fleischereibetriebe

Frische Wurst, frische Brötchen vom Laden um die Ecke? In vielen Regionen im Mühlenkreis müssen Kunden inzwischen weite Wege auf sich nehmen, wenn sie Frischware aus Meisterhand haben wollen. Die Konkurrenz zu Discountern, Nachwuchssorgen und Bürokratie bedrohen die kleinen Geschäfte.

Die Zahl der Bäckerei- und Fleischereibetriebe in Minden-Lübbecke ist in den vergangenen zehn Jahren stark gesunken. 42 Bäckereibetriebe gab es laut der Kreishandwerkerschaft Wittekind im Jahr 2015 in Minden-Lübbecke, 62 waren es zehn Jahre zuvor. Noch deutlicher ist der Rückgang bei den Fleischereien. Von 2005 bis 2015 hat sich die Zahl der Betriebe von 69 auf 38 fast halbiert. Laut Thomas Brinkmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wittekindsland, steigt der Trend zu immer größeren Betrieben mit immer mehr Filialen.

Billige Supermarkt-Brötchen und Discounter-Steaks würden es kleinen Bäckern und Fleischern schwer machen. Nicht nur weil die Kunden mit dem Einkauf im Discounter ihre Geldbeutel schonen. „Kunden legen Brot und Wurst eben kurz in ihre Wagen, wenn sie durch den Supermarkt laufen. Dann müssen sie nach ihrem Einkauf nicht extra noch einmal für zwei, drei Artikel zum nächsten Fachgeschäft fahren.“

Brinkmann zufolge leiden viele Handwerksbetriebe zudem unter Nachwuchssorgen. „Einen geeigneten und willigen Betriebsnachfolger zu finden, wird immer schwieriger. Früher haben die Kinder die Geschäfte ihrer Eltern geerbt und weitergeführt. Heute sind ihnen Selbstständigkeit, Druck und Arbeit häufig zu viel und zu mühsam“, sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.

Christian und Christine Geier führen ihren Fleischerei- und Partyservice in dritter Generation.

Christian und Christine Geier führen ihren Fleischerei- und Partyservice in dritter Generation.

Seine durchschnittliche Arbeitszeit könne er schlecht schätzen, sagt Fleischermeister Christian Geier. „Stehen zusätzlich zum normalen Tagesbetrieb mehrere Veranstaltungen oder noch mehr Büroarbeiten als üblich an, können es schnell mal 80-Stunden-Wochen werden.“ Seit 1992 liegt der Fleischerei- und Partyservice Geier in Minden in den Händen von ihm und seiner Frau und Geschäftsführerin Christine. Sie führen den Laden gemeinsam in dritter Generation. 1948 hatte alles angefangen, mit einer kleinen Fleischerei im Dörfchen Ahe bei Rinteln. 1967 erfolgte der Umzug nach Minden in die Königstraße. Seine Lehre begann Christian Geier vor 33 Jahren im elterlichen Betrieb. „Ich wurde in das Geschäft hineingeboren. Für mich kam nie ein anderer Beruf infrage“, erinnert sich der 50-Jährige. Aktuell laufe es gut. „Meine Frau und ich werden das Unternehmen solange weiterführen, wie es geht.“ Ein Nachfolger für die beiden stehe nicht parat. Der Sohn hat einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen. Er helfe zwar gerne im Betrieb, übernehmen wolle er ihn jedoch nicht, sagt Geier.

„Klar setzen Discounter den kleinen Bäckern zu“, sagt Markus Redeker, Geschäftsführer der gleichnamigen Bäckerei in Minden. Die starke Konkurrenz aber sei nicht der einzige Grund für rückläufige Betriebszahlen. Die zunehmende Bürokratie spiele eine ebenso große Rolle. Büroarbeiten würden wegen neuer gesetzlicher Auflagen immer mehr Zeit beanspruchen, klagt Redeker. Alles müsse dokumentiert werden. Große Betriebe könnten dafür Bürokräfte einstellen. In kleinen Betrieben bleibe die Arbeit am Chef hängen, erklärt der Bäckermeister. Ein weiterer Wettbewerbsnachteil sei das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die Umlage ist in den vergangenen Jahren rapide angestiegen. Für das energieintensive Bäckerhandwerk seien die hohen Strompreise eine große finanzielle Mehrbelastung, sagt Redeker. Zumal nur kleine und mittelständische Betriebe die vollen Kosten tragen würden. Großbäckereien – die unter anderem für Discounter produzieren – könnten eine verringerte Umlage bezahlen.

Thomas Brinkmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wittekind: "Viele Betriebe machen dicht, weil die Inhaber keine passenden Nachfolger finden."

Thomas Brinkmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wittekind: „Viele Betriebe machen dicht, weil die Inhaber keine passenden Nachfolger finden.“

Viel Konkurrenz, viel Bürokratie, kein Nachwuchs. Immer mehr Bäckerei- und Metzgereibetriebe im Mühlenkreis müssen ihre Geschäfte aufgeben. Nicht immer sei der Untergang fremdverschuldet gewesen, sagt Thomas Brinkmann: „Viele Betriebe haben auch einfach die Zeit verschlafen. Der Kundenanspruch an Produktvielfalt, Einrichtung und Service ist ein anderer als vor 20 Jahren. Wer das frühzeitig erkannt hat, hat heute noch Erfolg.“

Markus Redeker „lebt sein Handwerk“, das würden die Kunden merken und honorieren. „Die Menschen legen inzwischen großen Wert auf Regionalität, sie vertrauen uns und unseren Produkten“, sagt er. Auch der Fleischerei- und Partyservice Geier zählt Christian Geier zufolge auf seine Stammkundschaft. Sie schätze die eigens hergestellte Wurst, den Mittagstisch im Bistro und die Cateringangebote. „Die Mindener kennen den Namen Geier einfach“, sagt der 50- Jährige. Qualität und freundliche Bedienungen würden sich immer noch bezahlt machen – allen Problemen zum Trotz.

INFO:
Zahl der Bäckereibetriebe in Minden-Lübbecke

2005: 62
2015: 42

Zahl der Fleischereibetriebe in Minden-Lübbecke

2005: 69
2015: 38