Der große Mindener-Renten-Check

Der große Mindener-Renten-Check

Rentner am Hungertuch?

 
Im Kreis Minden-Lübbecke wohnen 65.725 Menschen über 65, das sind 21,2 Prozent der Gesamtbevölkerung im Kreis. Doch wie leben die Mindener Rentner? Wir wollten es genau wissen und haben in vergangenen MiKu-Ausgaben Rentner dazu aufgerufen, sich bei uns zu melden und uns ihre Umstände zu schildern. Wir wollten wissen, was sie verdienen, wie sie vorher gelebt haben und wie sie ihre Zukunft sehen. Die Namen der Personen sind zum Teil geändert, um die Anonymität zu wahren. Was dabei herausgekommen ist, lesen Sie hier…
 
Marie Meinholz, 72
594 Euro Rente

Ich habe nur 18 Jahre lang gearbeitet, weil ich Kinder habe. Neben meiner Rente bekomme ich die Grundsicherung vom Staat. Wenn die Rente mal erhöht wird, bekomme ich weniger Grundsicherung. Überall wird Geld rausgeschleudert – und der Rentner kann sehen, wo er bleibt. Wenn ich mir Winterstiefel kaufen will, muss ich vier oder fünf Monate sparen. Früher bin ich auch regelmäßig zur Tafel gegangen, aber seit ich an Arthrose erkrankt bin, kann ich nicht mehr so weit laufen und für öffentliche Verkehrsmittel fehlt mir das Geld. Auch wenn ich zum Arzt muss, muss ich jedes Mal 4,40 Euro für den Bus zahlen. Unsere Kinder und Kindeskinder werden es noch schwerer haben.
 
Doris Fischer, 67
136,07 Euro Rente

Ich habe eigentlich nie gearbeitet, mein Mann wollte lieber, dass ich zuhause bleibe. Er war bei der Firma Krupp, bekommt aber nur 56,50 Euro Beriebsrente. Seine staatliche Rente beträgt 1.653,59 Euro. Mein Mann ist aber an Demenz erkrankt, uns zwar so schlimm, dass ich ihn in ein Pflegeheim geben musste. Die Unterbringung dort kostet 2875 Euro, davon muss ich 1325 Euro zuzahlen. Dadurch bleiben mir noch 521,16 Euro zum Leben. Wenn mein Mann zum Friseur oder zur Fusspflege muss, kostet das allerdings nochmal extra. Vorher hatten wir einen hohen Lebenstanddard, ein gutes Auto und ein Haus. Dass er so krank wird, war ja nicht vorhersehbar. Jetzt versuche ich Hilfe beim Staat zu beantragen. Ich muss aber meine ganzen Ersparnisse aufbrauchen, bis der Staat mich unterstützt. Wahrscheinlich verliere ich dann das Auto und das Haus. Ich versuche die Gedanken daran zu verdrängen.
 

    Doris Fischer war die einzige Rentnerin, die eingewilligt hat, dass ihr Name und ihr Foto veröffentlicht werden. Das beweist viel Mut und verdeutlicht, wie unangenehm es den meisten Rentnern ist, über ihre Lebensumstände zu sprechen.

 
Frank Müller, 63
1100 Euro Rente

Ich habe vor fünf Jahren aufgehört zu arbeiten und bekomme Erwerbsminderungsrente. Vorher habe ich in Frankfurt im kaufmännischen Bereich gearbeitet und dabei auch ganz gut verdient. Ich bin geschieden und habe drei Söhne. Ich bin froh, dass ich vorzeitig in Rente gegangen bin. Die, die jetzt erst gehen, bekommen viel weniger. Mir geht es ja noch relativ gut – vor allem weil ich von Frankfurt nach Minden gekommen bin. Hier sind die Lebenshaltungskosten viel geringer.
 
Berta Schmidt, 60
579,38 Euro ALG 2

Voll gearbeitet habe ich 11 Jahre lang, dann habe ich meine beiden Kinder erzogen. Als ich wieder arbeiten konnte, wurde meine Mutter schwer krank und ich habe sie gepflegt. Als ich 2012 wieder arbeiten wollte, hat mein Arzt mich aufgrund der schweren Zeit der Pflege für physisch und psychisch nicht belastbar erklärt. Also habe ich 2013 Erwerbsminderungsrente beantragt, für die ich laut meinem Arzt und meinem Rechtsanwalt auch alle Kriterien erfülle – der Antrag wurde aber abgelehnt. Nachdem das Ersparte dann aufgebraucht war, habe ich Hartz IV beantragt. Jetzt lebe ich davon und von der Rente meines Mannes. Früher hieß es immer, die Renten wäre sicher und man müsse sich keine Sorgen machen. Deswegen haben wir uns darum auch nie Gedanken gemacht.
 
Hans Meier, 68
934,39 Euro Rente

Ich bin mit 14 in die Lehre gegangen und habe 46 Jahre lang durchgehend gearbeitet. Wegen eines schweren Arbeitsunfalls bin ich mit 60 in Rente gegangen und habe vorher 2 Jahre lang von Krankengeld gelebt. Mich ärgert, dass von meiner Rente einerseits wegen des frühen Renteneintritts einiges abgezogen wurde und dass der Verdienst in den Jahren davor – also das Krankengeld – der Berechnung der Rente zu einem großen Teil zu Grunde liegt. Außerdem bin ich zweiter Ehe verheiratet. Meiner ersten Ehefrau wurde auch einige Rentenpunkte zugesprochen, da sie damals nicht gearbeitet hat. Ich habe zwar vorgesorgt, aber auf Dauer reicht das nicht. Jetzt warte ich darauf, dass meine Frau endlich Rente bekommt – das gestaltet sich aber nicht so leicht, weil sie zuhause für die Kindererziehung zuständig war.
 

Kommentar

Stefan Schröder, DIE LINKE Kreisverband Minden-Lübbecke
 
Die Altersarmut wird sich auch in Minden in den nächsten Jahrzenten noch verstärken. Viele Veränderungen sind nur auf der Bundesebene zu erreichen. Unbedingt notwendig wäre die Einführung einer sich am Existenzminimum orientierenden Mindestrente und eine gesetzliche Rentenversicherung, die von einer breiten Basis, also auch von den Besserverdienenden, getragen wird. Auf der kommunalen Ebene sind die Möglichkeiten, dem wachsenden Problem der „Altersarmut“ entgegenzutreten, sehr begrenzt. Eine wäre, den prekären Arbeitsmarkt in unserer Stadt so weit, wie es möglich ist, einzudämmen, da dieser einen wichtigen Faktor für die zunehmende „Altersarmut“ darstellt. Auch die Bestrebungen neuer Investoren sollten stärker beleuchtet werden, denn schon lange ist nicht mehr alles „sozial“, was Arbeit schafft. Ein geringes Einkommen bedeutet sehr häufig Einsamkeit und Isolation. Rentnerinnen und Rentner mit sehr niedrigen Renten ist aus finanziellen Gründen oftmals die Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben nicht möglich. Deshalb wird es auch zukünftig unerlässlich sein, dass die zahlreichen Angebote für Seniorinnen und Senioren in Minden aufrechterhalten und ausgebaut werden und Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung auf- und ausgebaut werden.